Zum Inhalt springen

Monat: Oktober 2025

Lolly Lolly Gruppo Gleda

Jetzt berichte ich noch Erbauliches aus Kolumbien. Nichts werde ich berichten von Frauen die täglich! Wäsche waschen müssen und sich dabei in Kleinkriegs ähnlichen Psychospielchen beim Kampf um die einzige funktionierende Maschine verstricken. Obwohl meine Frau dieses neue Reality-TV Format „Laundry Wars“ aus dem gegenüberliegenden klimatisiertem Raum genau beobachten konnte… das lasse ich weg. Na ja, nur das eine -weil das war wirklich lustig – als Andrea der Platzkuh nach einer besonders aggressiven Vordrängelei einfach heimlich den Stecker aus dem Trockner gezogen hat. Die Fenster sind nämlich verspiegelt und Andrea konnte bestens von innen verfolgen wie die Saat aufgeht und es ist ja auch wirklich interessant was so ein kleiner moderierter Eingriff in das Spielgeschehen für sozial-gruppendynamische Folgen hat. Recht professionell von meiner Frau, weil bei den Realityshows von RTL II arbeiten sie mit den selben Mitteln um etwas Pfeffer reinzubringen. Man fühlt sich auch gleich wieder jung.

Nachreichen muß ich auch noch die Fotos aus Minca, einem Dorf im Nationalpark. Da waren wir mal vier Tage zum Wandern. Gespickt voll mit jungen Backpackern. Natur- sensationel, Condore, Brüllaffen, Tucane… Hie ein paar Buidl. Für die ersten zwei Bilder des lokalen Eiertransportunternehmens noch zur Info: Hier oben gibt es nur ausgewaschene Feldwege mit Schlaglöchern und Felsen… unfassbar.

Und weils gerade so schee war mit dem Wandern, hat Andrea beschlossen: Wir gehen zur Ciudad Perdida. Und da muss ich meiner Frau jetzt mal so richtig danken. Weil, als ich die Anforderungen gelesen habe: 63km in 3.5 Tagen, 19km am Tag, insgesamt 3000 Höhenmeter. Sacklzement hab ich mir da gedacht, bist du alter Sack da fit genug? Mein Perfektionist wollte sagen: Nein…trainier erst mal, aber mein Optimist (Andrea) hat gesagt: Basst scho, mir san jetza da, also auffe. Sie wollte halt unbedingt hin. Nur mit viertägigem Marsch durch den Urwald erreichbar. Nicht mit dem Zug wie Machu Picchu und außerdem 600 Jahre älter als die Stadt in Peru. Man muss es sich halt erarbeiten.

Andrea meldet uns an. Der Zugang ist beschränkt. Wandern ist nur mit Tourguide erlaubt, weil die Indigenen keinen Massentourismus wollen. Maximal 200 Besucher pro Tag (40 bei uns), Gruppen von 10 Leuten mit Führer, Übersetzter und Koch. Geschlafen wird in Camps. Zur Vorbereitung renn ich jeden Tag noch mal 7km durch Santa Marta, aber das ist natürlich quakes, weil alles flach hier. Unsere Gruppe besteht aus lauter 20 bis 30 jährigen die sich über ihre letzten Triatlonzeiten unterhalten…und uns. Jeckerl.

Die Gruppe is wirklich wahnsinnig nett. Wir ratschen natürlich auf der zweistündigen Jeepfahrt zum Ausgangspunkt und die jungen Leute sind ganz begeistert von unserer Reise. Als der Guide sagt, das wir uns einen Gruppennamen ausdenken sollen, damit er uns immer zum Apell antreten lassen kann (fünf Uhr Früh ist aufstehen, sechs Uhr ist Abmarsch – wie zur Grundausbildung) entscheidend die Jugend sofort: „Gruppo Gleda“. Hach!

Wie erwartet halten wir das Tempo ganz brav mit – für 500m. Danach teilt sich die Gruppe. Der Übersetzer rennt mit den Sportlern vorraus und unser Guide macht den Lumpensammler für uns. Zum Glück kommt immer so ab ein Uhr Regen, was das Aufsteigen erleichtert, wir kommen bei den 20km am zweiten Tag trotzdem so ein bisschen aus unsere Comfortzone. Unglaublich – die indigenen Tourguides können die 63km an einem Tag hin und zurück machen. Der Rekord liegt bei 6 Stunden für die 63km. Vielleicht ist das sogar wahr. Immer wider rennen indigene jugendliche Barfuß an uns vorbei. Teilweise haben 10 jährige Mädchen dabei noch ihre kleinen Geschwister auf den Rücken gebunden.

Omar, unser Guide redet nur spanisch, mit ein paar englischen Fetzen. Wenn er merkt das wir overpacen ruft er uns zu „Lolly Lolly, Mummy“. Hat etwas gedauert, er meint Slowly, Slowly. Und ja, anscheinend wegen unseres fortgeschrittenen Alters in der Gruppe nennt er uns „Mummy“ und „Uncle“. Daweil ist er 6 Monate älter als ich. Sowas.

Omar erzählt mit Tränen in den Augen seine Geschichte. 1973 wurde die Ciudad Perdida von Grabräubern entdeckt. Die haben sich dann auch gleich gegenseitig stilgerecht mit Macheten abgeschlachtet, als das erste Gold zum Vorschein kam. 1975 haben die Ausgrabungen begonnen. 1978 war Omar 10 Jahre alt und seine Eltern haben ihn und seinen Bruder aus Santa Marta in die Berge geschickt, weil zu dieser Zeit Rebellengruppen Kinder als Rekruten entführt haben. Omar hat sich 6 Jahre den Ausgrabungen angeschlossen. Er kennt jeden Stein. Danach war er mit der erste Tourguide der Touristen hochgebracht hat. Mit der Erschließung der Wege und alten Terrassen kamen nicht nur die Touristen, sondern auch die Kokabauern. Wirklich lustig, aber die ersten Touren haben nicht nur Führungen zur Ciudad Perdida sondern auch zu den Kokainküchen gemacht. Mit genauer Erklärung wie man das Pulver herstellt. Unrechtsbewusstsein gab es nicht, die Indigenen kauen ab ihren 18. Lebensjahr ununterbrochen auf einer Kokapaste rum (die wird dann zu einer Schüssel geformt die man mit rumschleppt und aus der der Schamane nachlesen kann was in einem vorgeht. Wie ein Tagebuch) . Das war für die Bauern hier einfach ein gutes Geschäft mit den Kartellen. Bis zwei DEA Agenten den Treck mitgemacht haben. Danach kamen die amerikanischen Hubschrauber und haben alle großen Kokafelder entlaubt. Finito. Schade, weil die ganze Infrastruktur für den Kokaintransport auch mit deutschen Steuergeldern finanziert wurde. Die Kartelle haben sich sicher totgelacht. Omar erzählt, das die KfW für den Bau einer Brücke die 30.000 Euro kostet, 100.000 abgedrückt hat. Der Rest ist in den Bau von Kokainküchen geflossen und der Transport war jetzt ganz smooth. Ich weiß nicht ob es die Geschichte ins Schwarzbuch der Steuerzahler geschafft hat.

Ich kann den Trip wirklich nur weiterempfehlen. Urwald, Flüsse, Wasserfälle. Abends bekommst du noch was Gutes gekocht. Dann liegen wir um sechs in unserem Stockbett unter einem Mückennetz. Der Regen prasselt auf das Wellblech über dir, die Jugend spielt noch was und lacht und zack sind wir eingeschlafen. Nach drei Tagen und finalen 1200 Stufen bergauf treffen wir den Mann auf dem 50.000 Peso Schein. Nicht Gabriel Garcia Marquez, der ist auf der anderen Seite, sondern den Häuptling der Ciudad Perdida. Auf seinem Kokaball kauend binded er jedem von uns ein Armband um.

Alles schmerzt, daher fahren wir zum Muskeln ausschütteln nach Cartagena und tanzen Salsa.

Kolumbien, me gusta. Machs gut und bleib sauber. Wir segeln weiter in Richtung der untergehenden Sonne. Nächster Halt Panama.

2 Kommentare