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Schlagwort: Korfu

Die große Überfahrt – Teil 2

Mir war tatsächlich etwas mulmig als Andrea nach 4 Wochen abgeflogen ist. Auf einmal alleine auf der Gleda. Um den Soloseglerblues setzen zu lassen bin ich erst mal Wäsche waschen gegangen, die Abfahrt kann noch warten. Mit dem Wind muss sich ja bitte schön auch was tun. Gegenan die Adria hoch, da hat der Spaß ein Loch.

Die Wäsche ist fertig, ich wuchte sie mir nass im Seesack auf den Rücken, mach mich auf zur Gleda und überlege wie ich uns in eine gute Position bringe für die Querung der Straße von Otranto. Erikousa bietet sich an, eine von drei kleinen Inseln im Norden von Korfu. In zwei Tagen gibt es Hoffnung auf Flaute. Hört sich komisch an, ist aber so. Besser als Wind auf die Nase. Bei Flaute kann man zumindest unter Motor von Erikousa nach Italien kommen. Das sehen andere auch so. Ein Pärchen auf der „Joshi“ macht den selben Trip. Wir treffen uns in jeder Bucht.

Die Gleda vor Erikousa
Fiki Sunset Bar auf Erikousa
wieder nach Italien

Die 60sm nach Otranto schieben uns abwechselnd die beiden Aussenborder, brrrrrmmrrmrrmrm, gaga, brrrr, nur die letzten zwei Stunden kommt Wind auf. Was für ein Glück, er bläst von querab.

Zur Belohnung für die laute Fahrt ziehen wir uns in der wunderschönen Altstadtfestung eine prima Pizza rein. Alles ist Bummvoll mit italienischen Urlaubern. So eng gedrängt, man kann es sich nicht mehr vorstellen.

Otranto

Ursprünglich wollte ich möglichst bald die Adria oberhalb von Montenegro queren, um in Kroatien mit seinen vielen Inseln und sicheren Ankerplätzen dann Richtung Norden zu segeln. Die italienische Adriaküste bietet kaum Schutz. Nur ewige komplett offene Sandstrände und überfüllte Häfen. Die kroatische Variante hat aber einen Haken. Ausklarieren I-Einklarieren HR-Quarantäne-Ausklarieren HR-Einklarieren I-Quarantäne. Die Coronazahlen in Kroatien waren auch sehr hoch. Es war unklar wie schwierig die Italiener eine Einreise wirklich machen. Heimlich, d.h. unter dem Radar queren, AIS ausmachen, Klarieren vergessen, ist zu riskant. Ich bin zwei mal Nachts in der Adria vom Zoll kontrolliert worden. Alles wurde untersucht, die Papiere akribisch durchgegangen. Jedesmal ca 30 Minuten am Zollschiff angekettet, aber sehr freundliche Zöllner, muss man mal sagen. Hab ja auch alle Dokumente mit deutscher Gründlichkeit in einer Mappe zusammen mit einem 100 Euro Schein der da rein gerutscht ist parat gehabt (Scherz: waren wirklich sehr korrekt).

Das Abfangmanöver des Zoll ist beindruckend. Zuerst schießt das Boot wie ein Komet mit Blaulicht am Bug vorbei und als man noch denkt „damn das war aber schnell „, hat es schon gewendet und die Enterhaken geschmissen. Von der ersten Sichtung keine 15 Sekunden. Wie ein Boxenstopp in der Formel 1.

Der Kommissar geht um

Für eine Nacht ist günstiger Wind aus Osten vorhergesagt, dann wieder Mistral aus NordWest. Ich versuche die Nacht durch möglichst bis Bari 110sm nördlich zu kommen, was sich als goldrichtig erweisen wird. In den kommenden Tagen wird der Wind unterhalb von Bari extrem ungünstig. Es wird Nachts nicht langweilig, der Küstenstreifen der wie Lametta daliegt sieht toll aus. Überall sind Fischerboote die keinem festen Kurs folgen und einen auf Trapp halten und natürlich die Zollkontrolle.

Gegen Abend des nächsten Tages hab ich es fast geschafft, aber über Bari steht ein riesiges Gewitter. Diesmal bin ich schlauer, dreh bei und seh mir das Spektakel eine Stunde aus der Ferne an. Es wird dunkel als ich endlich einlaufen kann. Der Hafen ist wie überall voll, im Hafenhandbuch ist aber ein nur 1,50 tiefes Becken vor dem inneren Hafeneingang verzeichnet. Von hier nix ankern steht da nix, Gleda hat 1,10 Tiefgang, also …Anker fällt. Ich bin der einzige hier, etwas seltsam.

Bari Privatankerplatz vor der Promenade
Bari Altstadt

Mit dem Seesack zieh ich los und mach die Vorräte voll, dann ab zur Tankstelle im Hafen. Möglichst schnell soll es hoch nach Gargano gehen, eine Wetterscheide ab der es potentiell vom Wind besser wird. Fast jeden Abend gibt es jetzt schwere Gewitter an der Küste. Am folgenden Abend muss ich Schutz in einem kleinen Fischerhafen bei Margherita di Savola suchen als sich der Himmel bedrohlich zusammenzieht. Im strömenden Regen versinken der Bug und Heckanker im Schlick. Das Gewitter zieht mit schweren Böen direkt über uns durch. Vor den Blitzen muss ich wegen der hohen Kräne zum Glück aber keine Angst haben.

typische Abendstimmung

Zum Gargano ist es nur noch ein Hopser. Die Felsen sind ein schöner Kontrast. In der Cala del Fico ruh ich mich bis um Ein Uhr Nachts aus, dann geht es rund um den Sporn. Gern wäre ich in Vieste geblieben, aber der Wind lässt es nicht zu. Genau 7 Stunden weht er nicht aus Norden, die muss ich nutzen.

Gargano – Cala del Fico

Weiter, immer weiter geht es über Termoli nach Senegallia. Die thermischen Seewinde in diesem Abschnitt verkürzen die nervenden Motorstunden. Mit 7 Knoten Genusssegeln geht es dahin. Ich bleibe immer nur kurz, obwohl es viele reizende Orte gibt. Sollte nämlich starker Wind aus Ost aufkommen wird es ungemütlich. Es gibt einfach keinen Schutz. Die Sandstrände sind extrem flach und bauen eine steile Welle auf. Die Häfen sind voll. Einmal bin ich bei einer Anfrage nach einem Platz tatsächlich laut ausgelacht worden – nächstes Jahr um die Zeit, ja vielleicht, da wäre evtl. was möglich.

Senegallia – repräsentativ für 1000 km Strandlinie

In Pesaro ist es dann soweit. Ich lege mich vor die Kaimauer an den Strand. Die Windvorhersage ist nicht supi, aber auch nicht Drama. Aus Kroatien soll in der Nacht Wind mit 3-4 Bft wehen. Ein ehemaliger Kollege von mir ist genau auf der anderen Seite in Kroatien beim Segeln, wir tauschen uns aus.

Er: „Wo bist Du? Die Fischer gehen nicht raus, der Wirt sagt ich soll auf keinen Fall ankern, sondern in einen Hafen. Bora, Sturmvorhersage“

Ich: „Hä? Meine Wetterapps sagen was ganz anderes, die haben wahrscheinlich keine Ahnung, die Fischer“

Er: „Ja also, ich seh das auch nicht, aber vorsichtshalber geh ich in ne Marina“

Ich: „Feige Sau….“

…was soll ich sonst sagen, ich habe keine Wahl. Wassertiefe ist 3m, ca 1000m vom Strand entfernt. Beide Anker werden ausgelegt, das sollte halten, dann ab in die Koje.

Um zwei in der Früh heißt es „Reise, Reise“ (los raus aus dem Bett), weil einer mit nem Hammer gegen die Bordwand schlägt. Gleda bockt wie verrückt auf und ab, ich schaff es fast nicht die Luke rauf. Der Anblick ist nicht schön. Obwohl so weit vom Strand weg liegt Gleda in der Brandungszone. Die Wellen brechen über das Vordeck. Ein Blick auf den Wind: 7Bft!. Die Fischer haben es gewusst. Die Ankerseile sind stramm gespannt, aber wir bewegen uns keinen Millimeter, die Anker sitzen bombenfest im Sand. Gleda hat einen 20kg Manson und einen Fortress FX-37, das sind schwere Geschütze. Beim Ankergeschirr hab ich zum Glück keine Kompromisse gemacht. Der Manson wird sogar noch gegen einen 25kg Mantus getauscht werden. Es fühlt sich aber ungesund an. Alles ächzt und stöhnt. Ein abgebrühterer Salzbuckel würde jetzt weiterpennen, ich stehe aber auf dem Deck und guck doof, als ob das was helfen würde.

Eine halbe Stunde später kommt ein Blaulicht aus der Hafeneinfahrt, was da wohl los ist? Ich steh noch so da und überlege, als mich der Suchscheinwerfer erfasst. Zum Glück hab ich wenigstens ein T-Shirt an, Hose oder Unterhose war bei dem Gewackel nicht möglich. Das Funkgerät fängt das quäken an:

„Hallo Gleda, hier die Küstenwache. Wir kommen um sie zu retten“..“ Äh hallo Küstenwache, danke nein, lieber nicht, mir geht’s gut“… „Sie haben in der Brandung geankert“ …“Ja ich weiß, war schlau gell?“. So geht das eine Weile hin und her, dann ziehen Sie ab. Das wäre einfach unmöglich gewesen bei dem Wellengang und die Anker halten bombenfest. Und es war im Rückblick eine weise Entscheidung. Ne knappe Stunde später ist der Spuk vorbei.

Am Morgen gilt es eine Entscheidung zu treffen. Der Wind tagsüber aus Nord, an weitersegeln ist nicht zu denken, Nachts dann wieder Sturm aus Ost, diesmal mit Ansage. Nochmal mach ich das nicht mit und beschließe in den Hafen zu gehen, voll oder nicht spielt keine Rolle. Ich mach erst mal in einer Marina fest und werde sofort umringt. „Alles privat, alles voll“, mir alles egal. Ich erkläre meine Lage und mache klar, das ich lieber in der Hafeneinfahrt ankere als wieder raus zu gehen. Ein Einheimischer nimmt sich dann ein Herz und nimmt mich mit zum Hafenmeister, der schickt uns weiter zu den Fischern, ob die einen Platz haben, die sagen ja vielleicht, aber die Küstenwache muss gefragt werden. Fast wie in Deutschland, aber die Anfragen werden nicht gefaxt. Die Küstenwache ist nicht ganz bei der Sache. Sie fangen das kichern an, als sie mich sehen. Ich glaube ich habe so was wie „keine Hose“ verstanden. Meine Herren, jetzt mal bitte etwas mehr Professionalität. Am Ende entscheidet ein Gremium nach wildem Gestikulieren, das ich im Außenhafen bis Morgen zwischen zwei Trawlern liegen darf. Ich fühle mich geborgen. Danke dem ganzen Dorf von Pesaro,

Wir fühlen uns sicher. Zwei Kumpels passen auf uns auf.

Jetzt ist es fast geschafft. Einen ruhige Nacht in Rimini und dann direkt zur Lagune von Lignano. Sobald man die Einfahrt passiert hat muss man sich in den Fahrrinnen halten, sonst sitzt man ganz schnell auf. Zum Glück ist alles gut beschildert. Hier nach Venedig, da nach Rom. Witzig.

hier scharf links.

Die Lagune endet, der Fluß beginnt. Es gibt viel Verkehr. Man soll sich in der Mitte halten. In einer Kurve muss ich wegen einem Prol mit einer Superyacht und Tempo 100 nach rechts ausweichen und Schlllurp, sitze im Matsch fest. Kein vor und kein zurück mehr. Ich überlege gerade ob ich versuchen soll den Anker auszubringen um mich freizuwarpen, da ertönt vom Haus am Ufer gegenüber „Du muasd a Stund wartn. Dann is Hochwossa. Mogst derweil a Weizn?“. Ja Landsleute überall. Ich erfahre noch das ich nicht der erste bin der hier festsitzt und sich die nette Dame immer über Gesellschaft freut. Ich will gerade rüber, als die nächste Riesenyacht um die Ecke biegt und mir anbietet mich rauszuziehen. Das wird dankend angenommen. Ich mach eine lange Leine klar und paddle sie rüber. Und ja es klappt, wir sind frei. Noch zwei Kurven und wir machen an der Marina Stella fest. Ein freundlicher Mitarbeiter fragt „Rauskranen“. Ich: „Ja, ja, aber ich muss erst mal ins Büro“. Außerdem muss ich ja genaue Anweisungen geben wo die Gurte hinkommen. Hab das extra recherchiert. Die Hände sind schon etwas feucht bei dem Gedanken, das Gleda aus dem Wasser schwebt. Ich erledig die Formalitäten und mach mich zurück zur Gleda… und bekomme fast einen Herzinfarkt. Sie schwebt schon über dem Wasser. Ganz ohne meine professionelle Anleitung. Oh Gott. 5 Minuten später liegt sie auf Böcken an ihrem Platz. Ein Könner am Werk. Hier werden wir mindesten ein Jahr bleiben, umringt von lauter netten Nachbarn. Ja! Geschafft. 2733nm von Cartagena.

Schluck

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