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Schlagwort: St. Vincent

Danke Gleda

Wir sind vor Anker am Paradise Beach in Carriacou. Vor fast genau 10 Monaten am 1. Juli um 11:00 ist hier der Kategorie 5 Hurricane Beryl, nur drei Tage nach seiner Entstehung, mit voller Wucht auf die Insel getroffen. Das Zentrum des Sturms ist mit über 145 Knoten (260 km/h) über die Inseln Carriacou, Petit Martinique und Union Island gezogen und hat eine fast vollständige Zerstörung hinterlassen. Noch 10 Monate später schauts hier teilweise aus wie nach einem Bombeneinschlag. 90% der Häuser waren zerstört. Kaum ein Baum steht noch. Die Kraft eines solchen Sturms mag ich mir gar nicht vorstellen. Um das mal einzuordnen: Entspanntes Segeln findet bei 10-15 Knoten Wind statt (Windstärke 4). Sportlich sind wir bei 20 Knoten unterwegs (5 Beaufort). Dann wird spätestens gerefft. Bei 30 Knoten (7 Beaufort) hört der Segelspaß schon auf. Ab 40 Knoten ist Sturm. Noch mehr und du scheißt dich ein. Sowas versuchen wir komplett zu vermeiden. Die Beaufortskala geht bis 70 Knoten Orkanstärke (12 Windstärken). Ab da kann man kaum eine Veränderung der See mehr erkennen. Die offizielle Beschreibung für 70 Knoten Wind lautet: „schwerste Sturmschäden und Zerstörungen, außergewöhnlich schwere See, außergewöhnlich hohe Wellen­berge über 10m, See völlig weiß, Luft mit Schaum und Gischt angefüllt, keine Fernsicht, Rollen der See wird zum Getöse„. Jetzt ist es so, das die kinetische Energie des Windes im Quadrat zur Windgeschwindigkeit zunimmt. Die Kraft des Hurricanes war mit 145 Knoten also über 4-Mal so groß wie ein Stärke 12 Orkan. Unvorstellbar. LKWs und 40 Fuß Container sind hier durch die Luft geflogen. Viele gemauerte Gebäude wurden eingerissen. Dächer waren eh alle weg. Kühlschränke wurden einfach aus den Ruinen gesaugt. Um 5 Uhr Nachmittags waren die Inseln komplett zerstört. Boote die noch schwammen hatten keine Masten und Aufbauten mehr. Die in den eigentlich sturmsicheren Mangroven vertäuten Boote hatten sich losgerissen und waren in Bergen aufeinander gestapelt. Die halbe Bucht von Argyle ist heute noch von Wracks belegt. Ich beschreib das hier so bildlich um bei mir selber mal wieder Demut und Respekt vor der See zu reaktivieren. Kann sicher nicht schaden. Hier mal zwei Luftbilder von unserem Ankerplatz. Vorher und irgendwann nachher. Von jetza kann ich leider kein Drohnenfoto machen, weil die Drone wegen Flughafen gleich ums Eck zickig ist. Aber einige der robusteren Bäume haben schon wieder Blätter, die Dächer sind großteils wieder drauf und jetzt versuchen die Leute hier die Innenräume wieder bewohnbar zu machen.

Von Dominica sind wir durch die Nacht geschmeidig vorbei an Martinique und St. Lucia bis direkt nach St. Vincent zum Einklarieren gesegelt. Da, im Norden der Insel in Chateaubelair, schauts eigentlich ganz OK aus. Ned viel Schaden und sonst ganz karibisch. Die Leute sind typisch nett und typisch arm. Jeder versucht Dir seine Dienste anzudienen. Zum Einkaufen gibts nicht viel, wir holen was es gibt direkt beim Erzeuger. Hier mal zwei typische -at the source- Einkäufe: Eier von den Haushühnern und Spinat für die Muckis frisch aus dem Garten. Und weil wir ja jetza vom Spinat und Eiern gleich Arme wie Popey haben, haben wir uns vorsichtshalber auch gleich zwei echt harte Tatoos verpasst. Obacht.

Ausser Landwirtschaft und Fischen gibts in Chateaubelair leider einfach keine Einnahmequellen. Sie hätten auch gerne mehr Touristen und mehrere fragen uns, ob wir eine Idee haben wie man die Touris anlocken kann. Wir verstehen das auch nicht. Der Strand ist OK, gleich dahinter gibts zwei der schönsten Wasserfälle der Karibik, aber kaum jemand will kommen. Wahrscheinlich muss mal einer mit nem urigen Hotel und ner chilligen Strandbar den Anfang machen. Am legalen Kiffen und der damit einhergehenden nachlassenden Arbeitsmoral kann es auch nicht liegen, weil ein bisschen weiter südlich in Bequia gehts ja auch. Da brummt der Tourismus. Komich.

Soderla, jetzt brauch ma noch a paar Buidl von dera wunderbaren Wasserfälle. Problem: Ich hab ja immer so auf diese Scheißdrecksinstagramposerei geschimpft und find jetza aber kein einziges Wasserfallbild, was ned übelposig oder fremdschamflexig ausschaut. Also, mea culpa. Tut mir echt furchtbar leid, soll nicht wieder vorkommen. Vielleicht lässt sich eine Person am Wasserfall nicht anders fotografieren oder wir sind einfach so irre geil fotogen. Ja mei.

Die Wasserfälle liegen in einem Nationalpark. Am Eingang sitzen drei offizielle Damen. Mir san die einzigen zwei Touristen. Eine verkauft Tickets, die zweite Wasser, die dritte weist uns auf die Benimmregeln hin. Sackelzement. Das hat sich einer verausgabt. Am besten finden wir „Schimpfworte werden NICHT toleriert“. Angesichts der Tatsache das sie uns gleich mal „Island Wixers“ auf das Wasser drucken und keine der drei Damen aus Niederbayern zu sein scheint, ist unser Ergeiz geweckt. Wir verabschieden uns mit einem lächelnden „Thank you very much, ihr Brunzkacheln ihr ogsoachten“. Sie lächeln auch. Na bitte. Doch sehr tolerant die Menschen hier.

Wir hüpfen von Insel zu Insel langsam nach Süden. Zu Beginn der Hurricanesaison im Juni wollen wir auf Trinidad in der Peak Marina sein. Da treffen wir fast alle Segler wieder die wir kennengelernt haben. Jeder scheint bei Peak die Saison zu verbringen, weil Trinidad gilt als hurricanesicher. Und sicher ist sicher, hoffentlich. Wir bleiben ja auch nur kurz. Im Juli soll es schon weiter Richtung ABC Inseln, Kolumbien, San Blas Inseln gehen.

BEQUIA

CANOUAN

TOBAGO CAYS

UNION ISLAND, PALM ISLAND

CARRIACOU

Rufus
Venus

Venus, hier im letzten Bild, sitzt vor ihrem Garten und wartet das die Maracujas reif sind. Ihre Hütte ist notdürftig wieder hingezimmert. Vorher musste es ein Plastikplane tun. Ohne die Hilfe der Seglercommunity wär sie immer noch unter der Plane, sagt sie. Jeder Segler hat Werkzeug und Material angeschleppt, viele kamen mit mobilen Wassermachern. Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft, das ist schon super unter Seglern. Auch wenn manche nen Vogel haben.

Erwähnen muss ich auch die tolle kreative Ader meiner Frau. Ist wie in der Schule früher. Die Jungs machen Werken (z.B. Winschen warten) und die Mädchen Handarbeiten. Andrea verarbeitet alles was sie im Urwald, Strand, Meer findet. Es entstehen Vogelhäuser, Ketten, abartig aufwendige Gürtel. Respekt. Ich bin beindruckt. Nur an der Arbeitssicherheit muß noch nachgearbeitet werden. Aber wohl auch wieder mein Fehler. Als sie auf Deck Löcher in eine Kokusnuss bohrt, bitte ich sie was unterzulegen, damit die Latten heil bleiben. Die Bitte war aber anscheinend nicht präzise genug, und das bohren fällt auch eher in Werken als Handarbeiten. Auf jeden Fall hat sie schon was untergelegt um die Latten zu schonen: Ihren Fuß. Na ja, Hauptsache die Latten san heil. Ja mei.

Zum Schluß… Ein Jahr sind wir jetzt unterwegs. Und keinen einzigen Wharramkumpel für die Gleda haben wir getroffen. Bis jetzt… Ganz bitter: die erste Sichtung ist ein Wrack. Opfer des Hurricanes. Der Rumpf einer Narai liegt bei Cariacou, Argyle auf den Felsen. Ein anderer soll aber den Sturm als eins der wenigen Boote in den Mangroven überstanden haben.

Ganz um Schluß…Hier am Strand steht eine der berühmteren Beachbars der Karibik, der „Paradise Island Beach Club“. Super Essen, Livemusik (Blues! Yeah. Was für ein Balsam gegen den Socamist). Die haben ein ganz smartes Konzept für die Segelkundschaft entwickelt. Jeden Mittwoch ist Schildermalen. Wie im Kindergarten sitzen wir alle an großen Biertischen mit Plastikplanen. Jeder bekommt ein Stück Holz, Pinsel, Farbe, wer will nen Cocktail für den geschmeidigen Pinselschwung und kann dann ein Namensschild für sein Schiff malen. Die kommen alle an große Wände.

Schaut toll aus und schafft Community. Da kein Segler die Location missen will, haben die in kürzester Zeit mit Crowdfunding einfach eine komplett neue Bar nach dem Sturm hingestellt. Die Gleda hat da jetzt natürlich auch ein Schild hängen (Huch, ganz exponiert wurden wir platziert), pünktlich zum einjährigen Jubiläum der Reise seit unserem Start in Preveza. Gut hast du uns getragen, gesegelt, geschützt und berherbergt.

Danke Gleda.

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