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Tiki 38 Gleda Beiträge

Los… Die große Überfahrt – Teil 1

Es gab verschieden Optionen um nach Lignano zu kommen. Variante 1 von Andrea: „Warum fahren wir nicht einfach nonstop und direkt?“ und Variante 2 vom alten Salzbuckel mit mehrtägiger Segelerfahrung – in kleinen Happen möglichst am Ufer lang. Ich bilde mir diesbezüglich auch ein bei unseren Gesprächen über den Törn irgendwann mal erwähnt zu haben, dass ich noch nie über Nacht gefahren bin. Kann mich aber täuschen.


Der Plan
Die Reise

Der erste Schlag sollte planmäßig entlang der Küste bis Höhe Ibiza und dann nach Osten rüber gehen. Den ganzen Juli hab ich also den Wind auf windy.com beobachtet. Hab sogar schon von den pulsierenden Windpfeilen geträumt. Und bin immer nervöser geworden. Die Vorhersage hat nämlich immer gleich ausgesehen: so…

Katamarane und Wharrams im besonderen haben es nicht so mit gegenanknüppeln. Da bleibt man lieber gleich in der Koje. Es musste eine Windänderung her. Kurz vor Andreas Ankunft dann endlich ein Hoffnungsschimmer. Zwei bis drei Tage mit leicht südlichen Winden. Danach wieder Sturm aus NordOst 14 Tage raus. Während wir vom Flughafen zur Marina fahren erklär ich Andrea die Situation: Entweder jetzt oder gar nicht.
Crew: „Kann ich noch einen Kaffe haben?“
Skipper: „Nein“
Crew: „Biesln gehen?“
Skipper: „Nein“
Als Kapitän muss man ein knallharter Knochen sein, hab ich aus den Hornblower Romanen gelernt.

Also Seesack an Bord geschmissen, Frau hinterher und abgelegt. Nach Ibiza sind es ca. 150 Seemeilen. Bei 5 Knoten Fahrt also ca 30 Stunden . Wir tuckern erst unter Motor (Juhu sie laufen) und dann unter Segel mit ganz leichten Winden nach Norden. Das Meer ist ruhig, die Sonne senkt sich langsam hinter den Horizont. Die ersten Sterne erscheinen wo der Himmel von rot zu blau übergeht. Andrea schaut rauf und dreht sich dann zu mir: „Schon unheimlich. Jetzt wird’s dunkel. Und man sieht überhaupt kein Land mehr. Ein bisschen mulmig so in die Nacht zu segeln. Gut das Du das schon gemacht hast, das beruhigt mich“. Ich muss Sie etwas verdutzt angesehen haben. „Hast Du doch oder?“ fragt sie nervös nach. Als Skipper muss man der Fels in der Brandung sein und Zuversicht geben. Ich nehm sie in den Arm: „Ganz ruhig. Hab mal was drüber gelesen“.

Nachtfahrten sind was magisches. Wir haben sie von Anfang an geliebt. Über einem die Sterne, vor einem die See mit den Reflektionen des Mondes. Manchmal ein fernes Wetterleuchten. Die Navigationslichter anderer Schiffe am Horizont.

Nachtfahrt und kein Land weit und breit.

Wenn es recht voll ist wie in der Adria mit Bohrinseln, Fischfarmen und Fischerbooten wäre ein Radar nicht schlecht. Vor der Abfahrt hab ich noch einen AIS Transponder/Receiver eingebaut. Der gibt zumindest einen Überblick über alle Schiffe die auch so ein Gerät haben (Berufsschiffahrt und viele Yachten) und wir sind für die schnellen Fähren gut sichtbar. Schnellfähren mir 20+ Knoten sind ab Sichtung am Horizont in unter 10 Minuten querab.

Wir sind also friedlich durch unsere erste Nacht geglitten, haben ab und zu ein paar Kreise gedreht als der einschlafende Wind gedreht hat oder sind unter Motor in Richtung des nächsten Windfeldes getuckert. Ich kann schlafen wie ein Toter wenn es leicht schaukelt, die Wellen am Rumpf gluckern und Andrea oben mit dem Füßen am Steuerrad Wache schiebt.

Ursprünglich wollten wir uns die Balearen schon ein wenig ansehen, aber jedes gemütliche Verweilen hätte die Chance weiter nach Menorca im Norden zu kommen um den Sprung mit dem Mistral nach Sardinien zu schaffen wochenlang in die Ferne geschoben. Das Wetterfenster war einfach zu eng und die Zeit zu knapp. Kurz vor Ibiza haben wir daher die Arschbacken zusammengekniffen und sind direkt weiter nach Mallorca. An dieser Stelle muss ich mal sagen das ich schwer begeistert war wie die Crew ihre erste Blauwasser und Nachtfahrt gemeistert hat. Sensationell, ein knallharter Haufen, keine Meuterei, nix. Nach insgesamt 3 Tagen und Nächten sind wir dann in Port d’Andratx eingelaufen, haben durchgeatmet, kurz Vorräte und Schlaf aufgefüllt und sind dann direkt nonstop weiter nach Menorca / Puerto de Fornells.

Für den 200sm Schlag nach Sardinien benötigt man am besten einen mäßigen Mistral. Sowohl Mistral, als auch der Transmontane können schnell mal mit Orkanstärke daherkommen. Das üben wir später. Jetzt erst mal gemäßigt bitte. Wir haben dafür den ersten Schluck eines alkoholfreien Bieres ins Meer gekippt und wurden trotzdem gehört. Wie bestellt kam der Mistral.

windy.com: Mistral. Grün ist gut, rot auch wenn man Adrenalinjunkie ist.

Und wir haben richtig Tempo gemacht. Selten unter 7 Knoten, oft über 12. Sonst gibt es auch nicht viel zu berichten. Die Sonne geht auf, sie geht unter, Schlafen, Essen, Segel anpassen. Ein schönes Leben. Man segelt, Land kommt in Sicht, man schmeißt den Anker. Herrlich.

Unser erster Ankerplatz ist die Bucht Porto Pino. Ein Traum, wie die gesamte Südküste von Sardinien. Wie aus vergangener Zeit. Keine fetten Hotels, bunte Sonnenschirme unordentlich verteilt. Statt Supermärkte gibt es Tante Emma Läden und alte Männer die im Schatten großer Platanen sitzen und diskutieren. Genauso toll die nächste Bucht, Porto Zafferano. Ein Nato-Übungsgebiet und damit tabu. Im Juli, August sind Yachten irgendwie geduldet. An den Strand soll man nicht wegen der ganzen Blindgänger (wir sind auch umgedreht, nachdem wir die Bilder mit den Totenköpfen gesehen haben).

Porto Zafferano

Der Absprung nach Sizilien ist die Bucht Campulongu bei Villasimius. Direkt hinter der Bucht gibt es eine Kolonie wilder Flamingos. Wir machen uns mittler Weise keinen großen Kopp mehr wegen ein paar hundert Seemeilen. Der Wind soll gut sein, also beschließen wir sofort bis zu den Liparischen Inseln im Osten von Sizilien zu segeln anstatt im Westen anzulanden.Unser längster Abschnitt, gute drei Tage auf See. Man merkt jetzt schon das das hier kein reiner Urlaubstörn ist, wir geben richtig Gas solange der Wind steht und es keine Corona Probleme gibt.

Leider werden uns mit dem richtigen Wind auch ein paar Gewitterzellen auf den Weg gegeben. Hier dazu der Hinweis das so ein schweres Gewitter auf See deutlich beindruckender und gewaltiger aussieht als auf der Wetterapp. Man sieht es bei Nacht schon von weitem. Ein riesiger aus Blitzen durchzuckter Turm – der auf einen zuhält. Wie es darunter aussieht wollen wir nicht wissen. Ich hab mir als Skipper sofort 10 Minuspunkte eingetragen. Merke: Bei Gewittergefahr nicht lossegeln. Wir ändern mehrfach den Kurs und mit mehr Glück als Verstand geht das Inferno vor uns durch. Ich schicke Andrea wieder in die Koje: „Ich hab’s ja gleich gewusst, wie geplant“.

Fast 4 Tage und 300 Seemeilen dauert das italienische Inselhopping. Ein Bussard(?) begleitet uns ein Stück des Wegs. Im Morgengrauen laufen wir Lipari an und sehen dicke Rauchschwaden am Horizont aus dem Ätna steigen. Später am 18. Februar 2021 wird es einen dramatischen Ausbruch geben, den haben wir leider verpasst. Wir bleiben mal wieder nur eine Nacht, da -man ahnt es- der Wind günstig steht für die Straße von Mesina.

Von Lipari schlängeln wir uns zwischen den vielen Fähren, die vom Festland nach Sizilien pendeln, durch die Straße von Messina und biegen scharf links an der Schuhsohle nach Kalabrien ab. Eine sehr schöne Küste. Einmal wollen wir auf einem Campingplatz „SchwarzWarmDuschen“, zwei tote Ratten in den Kabinen entsprechen aber nicht unseren Schnorrerstandards, also müffeln wir weiter vor uns hin. Neee, natürlich duschen wir kalt, wir haben ja ne ganz tolle Campingdusche. Wasser rein, pumpen und los gehts. Reiner Luxus.

Kalabrien

Wir stehen vor der Entscheidung wie es weitergehen soll. Die Windvorhersage für die Adria ist denkbar schlecht. Mindestens 10 Tage weht der Wind aus der Adria raus, verstärkt durch die Düse in der Straße von Otranto. Es ist klar: Wir schaffen es nicht einmal zur Ferse des Stiefels. Der einzige Kurs der irgendwie möglich ist, wäre Korfu auf der anderen Seite der Meerenge. Für Andrea ein blöde Situation, da sie irgendwann heim muss. Der Hund, der Laden, das Kind mit zwei gebrochenen Armen (ja Connor wir wissen du hast uns nicht gebraucht :)). Da wäre Korfu auch passend. Super Flugverbindung nach Wien.

Also Kurs Korfu. Immer hart am Wind damit wir nicht an der Südspitze vorbeigedrückt werden. Wir wollen nach Petriti und dann zum Flughafen nach Korfu Stadt. Da die Leserschaft diese Blogs sehr überschaubar bei 2 bis 10 Leuten liegt, kann ich hier bedenkenlos den Geheimtipp für das mit Abstand beste Restaurant der Reise abgeben. Das Limnopoula in der Bucht von Petriti. Ist sehr bekannt: „Kenn ich auch…erzähls nicht weiter“. Man bekommt nur einen Platz mit Reservierung am Vortag. Keine Touristen, nur Einheimische als wir da sind.

Die Bucht in Korfu Stadt ist genial für Fluganbindungen. Der Flughafentransfer sieht so aus: Frau und Koffer aufs SUP (Stand up paddle board), zum Uffer paddeln und 10 Minuten zu Fuss zum Terminal gehen. Der Abschied fällt mir nicht leicht. Andreas Glaube in meine Skipperfähigkeiten scheint aber ins unermessliche gestiegen zu sein („Du machst das schon alleine. Hör auf zu zittern“) Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sie vor der Reise einen Profiskipper engagieren wollte („Wer soll sonst für die sichere Überfahrt sorgen? Du??“). Ab jetzt bin ich das -der Soloprofiskipper.

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Auf die Plätze fertig…

Gleda lag also in Cartagena. Wir waren ja ein paar mal da um zu sehen ob Gleda nicht ohne uns vor sich hingammelt (nur ein bisschen). Und ich muss sagen, Cartagena ist wirklich schön. Die Altstadt toll und unvergesslich die Semana Santa mit den ganzen Kapuzenprozessionen. Sehr mystisch. Aber Gleda musste da weg. Aus dem Wasser raus, damit ich alles zerlegen kann. Damit ich meinem Fäulniskontrollzwang nachgehen kann.

Gleda fest verwurzelt in Ihrer Box im Yacht Port Cartagena

Unser Ziel war die Marina Stella bei Lignano. Von vielen (danke Werner) empfohlen, günstig und voll von Wharram Kumpeln die mehr, weniger oder gar nicht mehr geliebt werden. Vor allem, Schwups, in 5 Stunden von Wien aus erreichbar. Um dahinzukommen muss man halt fast das gesamte Mittelmeer durchqueren. Gleda war eigentlich so weit seetüchtig. Die Pinnenstange aus Esche hab ich durch ein Carbonrohr ersetzen müssen. Esche kann man beim gammeln, meist ausgehend von Bohrlöchern fast zusehen. Das restliche Eschenholz (Gaffeln, Pinnen) schien aber unter der Farbe OK zu sein.

Die Dramaqueens waren eindeutig die Motoren. Alter, solche Zicken. Wann sie ansprangen, oder besser einfach spontan ausgingen war nach Tagesform abhängig. Ich hab beide fast komplett zerlegt, gestreichelt, zugeredet. Die Vergaser ins Ultraschallbad eingeladen. Und dann liefen sie auch wieder. Dachte ich. Just in dem Moment wo es draufankommt, z.B beim Probetörn im Strömungskanal unter einer Hubbrücke -Aus. Selbst das sanfteste Gemüt möchte den Motor dann einfach ins nasse Grab schicken. Zum Glück hat uns der Wind sanft an eine Kaimauer direkt vor eine Bar gedrückt. Der Barman hat gleich ein Bierchen für die Nerven gezapft als er uns antreiben sah. Ich hab’s wieder und wieder versucht. Sogar einen Mechaniker bemüht. Nix zu machen. Das waren Tohatsu 9.8 Aussenborder, eigentlich gute Dinger, aber zu viele Jahre unbenutzt gewesen.

Im Mar Menor. Eine Kaimauer genau da wo man sie braucht…

Um als Segelanfänger (wir haben vielleicht in der Summe 3 Monate gechartert) durchs Mittelmeer zu fahren wären zuverlässige Motoren aber ned so schlecht. Das Mittelmeer ist nicht ohne. Entweder zu viel oder gar kein Wind und wenn zu viel dann von vorne sagt man (so schlimm wars dann nicht). Hilft also nix. Neue Quirls müssen her.

Von den Leistungswerten geht nix über die Yamaha 9.9 Schubmotoren. Ausgestattet mit einem Riesen 12 Zollpropeller und der passenden Übersetzung. Genau das richtige für Boote wie die Gleda. Das Problem: Haben nen Vergaser. Von Vergaserträumen bin ich schweißgebadet aufgewacht. Einspritzer von Suzuki haben einen guten Ruf. Wenn die Einspritzeinheit hin ist, kann ich es zwar nicht selber richten, aber meine Vespa ist in 13 Jahren niemals nicht angesprungen. Sogar bei -18 Grad und mit dem ganzen Ethanolzeugs im Benzin und die ist auch noch ne Italienerin und kein Japaner.

Timing war dann alles. Die Überführung nach Italien sollte so 6 Wochen dauern. Der erste Nachlockdownflug nach Cartagena war am 1. Juli. Andrea wollte am 15.Juli zum Ablegen nachkommen. Zwischendrin musste alles am Schiff geprüft, nachgezogen und wo nötig ausgewechselt werden. Ja und natürlich neue Motoren verbauen. Fast unglaublich, das da alles gepasst hat. Spedition hat pünktlich geliefert und auch noch die richtigen Teile (Fernbedienung, Seilzüge, Schubpropeller etc.). Noch unglaublicher, das ich es geschafft habe alles zu verbauen ohne Einzelteile im Hafenbecken zu versenken. Als beide dann auf die erste Millisekunde nach dem Drehen des Schlüssels angesprungen sind, war das ein bisschen wie Sex.

Links die Bitches, rechts Chuck Norris 1. 2 ist noch in der Kiste.

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Hallo Gleda

Ich glaube Gleda wollte zu uns kommen. Seit mich der Segelvirus bei einem Törn mit Freunden gepackt hat, habe ich immer mal nach Booten gesucht. War so eine Schreibtischidee. Wir kaufen uns ein Boot und segeln um die Welt. Ganz mutig hab ich die Idee Andrea erzählt. Die spontane Antwort: „Ja cool, bin dabei“.

Wharram Katamarane fand ich sofort genial. Günstig, simpel, Hippie und einfach schön (denken wir). Genau das richtige für alte Camper. Die Boote gibt’s aber nicht von der Stange. Entweder man baut selber oder kauft gebraucht. 2012 haben wir einfach mal testhalber als Familienprojekt eine kleine Wharram Hitia 17 gebaut. Fazit: Ist mehr Arbeit als man denkt.

Wharram Hitia 17
Wharram Hitia 17, der „Dude“. Ganz selber gemacht.

Jahrelang bauen fiel aus. Wir wollten ja Segeln. Das beste ist sicher gebraucht kaufen und dann so umbauen wie man es gerne hätte. Gebrauchte sind aber rar, obwohl die Weltmeere voll sind mit Wharrams. Das Boot soll ja ordentlich gemacht sein und sich auch noch irgendwo in Europa befinden.

Gleda kannte ich schon sehr gut. Neil hat fast täglich seine Baufortschritte gebloggt. Ab und zu hab ich das kommentiert. Einmal wohl auch nach dem Motto: Solltest Du je verkaufen ruf an. 2014 sind Neil und seine Freundin Gail dann in See gestochen mit Kurs Mittelmeer (alles im dritten Buch von Neil nachzulesen). Über Portugal, Gibraltar mit Endstation Cartagena. Dort lag Gleda dann als eine Art Hausboot für drei Jahre. Sie war so lange da, dass sie auf einem Panoramafoto auf der Hafenmauer von Cartagena zu sehen ist. Den beiden hats dort halt gefallen. Tja, bis sich bei Neil persönlich 2018 alles überschlagen hat und er gezwungen war das Boot, das er jahrelang selber gebaut hat verkaufen zu müssen. Und er rief an.

Damit rechnet man nicht, man hat ja nen Job und kann doch nicht einfach ein Boot kaufen. Das verpflichtet dann ja auch loszusegeln. Man muss sich drum kümmern, in Cartagena. Ein paar Jahre wollte ich schon noch hackln. Andererseits…die Gelegenheit kommt vielleicht nicht wieder und vielleicht sitz ich sonst noch mit 60 vor meinen Monitoren und schreibe Handelsalgos anstatt in Polynesien unter ner Kokosplame zu sitzen. Also hab ich tief Luft geholt, Neil angerufen und Gleda gekauft, Firma angerufen und um Vertragsauflösung in einem Jahr gebeten. Solange musste Gleda in Cartagena noch warten, aber wir haben sie oft besucht, damit sie nicht einsam ist.

erstes Probesegeln in Cartagena

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